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Die Île de Sein


Ach, ist die klein

Ein Inselbesuch kommt immer gut. Dies dachten wir uns auch auf der Sylvestertour 2000/2001. Und da wir alle schon die wunderschöne und wilde Île d' Oussant gesehen hatten, wollten wir mal etwas Neues sehen. Mit diesen Vorgaben im "Gepäck" standen wir eines Morgens, kurz vor Sonnenaufgang, im Hafen von Audierne und warteten, mit einer besseren Bekleidung gewappnet als damals bei unserer klitschnassen Tour auf die Oussant, auf das Fährschiff, die Enez Sun III, das uns auf die Sein bringen sollte.
Die Überfahrt:
Ab Audierne dauert die Überfahrt zur Insel ca. eine Stunde (Info. unter Tel.: 0298278822). Bei stärkerem Wind kann das Fährschiff (Platz für 302 Passagiere) zwar manchmal recht heftig schaukeln, aber auf uns Landratten machte es einen guten seetauglichen Eindruck. Das Schiff hat Platz für 302 Passagiere und je nachdem wie sehr der Magen mitspielt, kann man sich auf Deck oder unter Deck (geheizter Aufenthaltsraum mit Fernseher) einnisten. Der Fahrpreis hielt sich bei uns, dank der Studentenausweise, im finanziellen machbaren Rahmen und dürfte auch ohne Ermäßigung die 25 Euro Grenze nicht überschreiten (Dies ist zwar doch ein guter Batzen Geld, aber so eine Inseltour ist immer ein besonderes Highlight eines Urlaubs und eine richtige Bootsfahrt auf dem Meer erst recht. Und außerdem, Umsonst ist nur der Tod. Und dafür macht das Schiff, einschließlich Besatzung, einen doch zu guten Eindruck.). Die visuellen Reize auf der Passage zur Insel sind, neben dem Meer, die Pointe du Raz (diese berühmte, felsige Landzunge kann man mal eindrucksvoll vom Wasser aus betrachten; daher Fotoapparat griffbereit halten) und die beiden Leuchttürme Phare de la Vielle (Direkt vor der Pointe du Raz) und Phare de Tévennec (ebenfalls steuerbordseitig zu betrachten).
Die Insel:
Die vogelreiche Insel hat eine Größe von 53 ha und ragt nur bis zu 8 Meter im Osten und 9 Meter im Westen über das Meer hinaus, so daß sie schon ein paar Mal von den Fluten überspült wurde. Die beiden letzten Jahre, in denen die Bewohner auf den Dächern ihrer Häuser Zuflucht suchen mußten, liegen jedoch etwas länger zurück (1868 und 1896). Die Landschaft ist, kaum verwunderlich, ziemlich karg. Es gibt fast keine Bäume oder Sträucher. Nur Feldsteinmauern umgeben die dürftigen Felder.
Das Dorf:
In der Mitte der Insel liegt das Dorf mit 348 Einwohnern, von dem man nach der Ankunft des Schiffs seine Besichtigungstour startet. Charakteristisch sind die kleinen weißen Häuser mit ihren blauen Fensterläden, die eng gedrängt an den knapp 1 Meter breiten Gassen stehen. Sehenswert sind hier die Kirche, das Museum (Musée de la Résistance) und natürlich eine der sechs Kneipen, in der man unter Umständen die Besatzung des Fährschiffes wiedertrifft und sich so seine Gedanken über die Alkoholverträglichkeit dieser Seebären macht, zumal sie ja einen in ein paar Stunden wieder wohlbehütet aufs Festland zurückbringen sollen. Neben Kirche, welche ganz schnuckelig ist, findet man auf einer kleinen Anhöhe zwei Menhire, die eng beieinander stehen und "les Causeurs" ("die Plauderer") genannt werden, und den Kalvarienberg von Nifran. Dieser besteht aus einem, auf einem stufenförmigen Sockel stehendem, schlichten Granitkreuz.
Im Museum des französischen Widerstands (Geöffnet vom 1.Juni bis 30.September, von 10 bis 12 und 14 bis 18 Uhr; 15 Franc Eintritt) kann man sich über die leb- und heldenhafte Widerstandsgeschichte der Inselbewohner während des II. Weltkrieges informieren, auf die ich nun unter anderem kurz eingehen will.
Werdegang der Insel:
Bis zum 18. Jahrhundert lebten die Inselbewohner ziemlich abgeschieden und plünderten gut und gerne Wracks von Schiffen, die ohne, aber auch manchmal mit Zutun der Bewohner (falsche Leuchtfeuer) auf eine der zahlreichen, knapp unter dem Wasserspiegel liegenden Klippen aufgelaufen waren. Der Hauptgeschäftszweig ist (auch noch heute, neben dem Tourismus) aber die Fischerei und Seefahrt. Zumindest, was die männlichen Bewohner betrifft. Die Damen fuhren nämlich eher nicht zur See, erledigten aber nicht minder harte Arbeiten. Sie bearbeiteten winzige Gärten, um dem kargen Boden wenigstens etwas abzutrotzen, und sammelten Tang. Nicht mehr so oft sieht man heutzutage die weiblichen Bewohner mit einer traditionellen schwarzen Trauerhaube, die nach der schweren Choleraepidemie im Jahre 1886 in "Mode" gekommen war.
Richtig bekannt und berühmt wurde die Insel jedoch während des II. Weltkrieges. Nachdem am 18. Juni 1940 General de Gaulle seine im besetzten Frankreich gebliebenen Mitbürger von London aus aufrief, den deutschen Besatzern Widerstand zu leisten, schlossen sich, ohne lange zu zögern, alle männlichen Bewohner im kampffähigem Alter (insgesamt 130 Seeleute und Fischer) diesem Appell an und setzten nach England über. Später war die Insel auch noch ein strategisch wichtiger Stützpunkt der Alliierten. Der Mut der Inselbewohner, sich, allen Gefahren zum Trotz, gegen die unmenschliche Besatzung aufzulehnen, wurde nach dem Krieg belohnt. De Gaulle höchstpersönlich zeichnete jeden einzelnen, während eines Besuchs, mit dem Befreiungskreuz aus. Neben dem Museum erinnert ein Denkmal (zum Andenken an die 29 Gefallenen) an diese wahrhaftige Heldentat.

Heutzutage sind die Bewohner freundliche, offene Menschen, die über einen herzergreifenden Humor, gepaart mit einem fairen Sportsgeist, verfügen. Bei unserem Besuch auf der Insel konnten drei von uns dies nur zu deutlich erfahren. Ungefähr zwei Stunden vor der Abfahrt trennten wir uns, da der eine Teil der Gruppe noch das östliche Ende der Insel besichtigen wollte, und die restlichen Drei (ich will hier keine Namen nennen, nicht wahr Christian, Sandra und Bu) sich lieber entspannt hinlegen und gedankenverloren das Meer betrachten wollten. Nun, war dieses Betrachten etwas zu gedankenverloren und, in all dem Meeresrauschen, ließen sie den Abfahrtszeitpunkt der Fähre etwas außer Acht. Mit nur noch drei Minuten bis zum Ablegen des Schiffes auf der Uhr (Da man den 30. Dezember schrieb, war dies fatalerweise auch die letzte Möglichkeit für die nächsten zwei Tage, um auf das Festland zurückzukommen), erkannten sie den Ernst der Lage, klaubten schnell alle Sachen zusammen und rannten quer über die Insel zum Hafen. Doch unbarmherzig drehten sich die Zeiger der Uhr. Um zum Hafen zu gelangen, mußten sie noch die engen Gassen des Dorfes passieren, auf denen einige ältere Dorfbewohner standen. Diese deuteten natürlich sofort die Situation. Amüsiert feuerten sie unsere tapferen Drei mit dem bekannten "Allez, Allez !" an und gaben ihnen die nur zu deutliche Information mit auf den Weg, daß das Boot bald abfährt. Gerade noch rechtzeitig und durch die zusätzliche Kraft, die die Anfeuerung freigemacht hatte, erreichten sie das Schiff. Wir anderen hatten innerlich schon mit dem Eintreffen abgeschlossen, zumal auch der Versuch, den Kapitän zu überreden mit dem Ablegen ein wenig zu warten, nur auf taube Ohren, die aber ein kleines ironisches Lächeln einrahmten, stieß. Aber et hät ja noch Mal jod jejange und alle (Gut, fast alle; bis auf die Drei) hatten eine amüsante Show.
Rundgang um die Insel:
Da die Ausmaße der Insel nicht gerade überwältigend sind, wird man sicherlich die Insel vom einem zum anderem Ende abwandern. Ins Auge sticht hierbei der Leuchtturm (Phare de Goulenez) am westlichen Ende der Insel, den man aber leider nicht besichtigen kann (auch bei gewittrigem Regen findet man entgegen der eigentlichen bretonischen Gastfreundschaft keinen Unterschlupf). Der Phare de Goulenez ist 49 Meter hoch und besitzt, dank seiner 6 kW Scheinwerfer, eine mittlere Reichweite von 50 km. Direkt nebenan (links davon) steht eine kleine Kapelle (Chapelle de St. Coretin), die vor sehr vielen Jahren einmal eine Einsiedelei war. Ein weiteres Highlight für den Fussball-interessierten Reisenden ist der grandiose Fußballplatz, auf dem ich (balltechnisch ausgebildet beim TUS) sogar mal virtuell ein Tor erzielen konnte. Der Platz ist einfach ein Traum. Direkt an der Seitenlinie und hinter dem einem Tor liegt das Meer, so daß der Ballschwund sicherlich nicht ganz unbeträchtlich ist. Auch der alte Spruch "Die Abwehr hat Beton angerührt" muß von hier kommen, da riesige Betonklötze lose über dem landeinwärts gelegenen Strafraum verteilt liegen.
Das Meer um die Insel herum:
Westlich vor der Insel befindet sich die legendäre Chaussée de Sein, eine Ansammlung von gefährlichen Klippen, die teilweise knapp unter dem Wasserspiegel liegen und schon so manches Schiff vom Bug bis zum Heck einfach aufgeschlitzt haben. Sie ziehen sich im Meer über eine Distanz von ungefähr 20 km hin. Vor ihnen warnt, neben dem Phare de Goulenez (am östlichen Ende der Chaussée), der legendäre Phare d 'Ar Men die Schiffe, am westlichen Ende der "Klippenstraße". Nach einer harten Bauzeit von 14 Jahren wurde er, mit einem Leuchtfeuer mit einer mittleren Reichweite von 55 km, 1881 fertiggestellt.
Fazit:
Ein Besuch der Île de Sein ist definitiv empfehlenswert. Allein einen Tag auf einer richtigen Insel zu verbringen ist ein Erlebnis. Dennoch würden wir vorschlagen, wenn man auch noch nicht auf der Île d' Oussant war, diese vorzuziehen, da sie noch ein bißchen wilder, erlebnisreicher und größer ist. Dies soll jedoch nicht die Sein abstufen, die auch ihren ganz eigenen Charakter hat und vor allem für Familien mit kleinen Kindern geeignet ist. Die Kleinen werden beim Rundgang nicht so schnell müde und bekommen anschaulich mit, daß man sich auf einer Insel befindet. Falls Sie sich nun auf die Sein einschiffen, denken Sie aber daran wetterfeste Kleidung im Gepäck zu haben, da sich das Wetter immer gerne von seiner wechselhaften Seite zeigt.

Zu den anderen Sehenswürdigkeiten: